Baumgesundheit im urbanen Raum
Ein Interview von Climateways mit dem öbv Sachverständiger für Baumstatik, Baumsanierung & Schadpilze am Baum, Wolfgang Lehnen.
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Die Folgen und Auswirkungen des Klimawandels sind allgegenwärtig und vor allem an den etablierten Bäumen im urbanen Raum sowie an den Waldbeständen klar erkennbar. Bäume leiden sekundär enorm unter Trockenstress, Hitzeabstrahlung und Nährstoffmangel, daraus resultierend primär an Pathogenen wie Pilzbefall und/oder Insektenbefall. Ein geschwächter Baum kann sich nur schlecht gegen „Eindringlinge“ wehren.
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Elementar ist es daher aus Sachverständigen Sicht, den Standort etablierter Bäume zu optimieren und bei geplanten Neupflanzungen ebenfalls einen baumartgerechten Standort zu gewährleisten. Hier werden bereits die meisten Fehler begangen. Den Standort im Vorfeld genau zu bestimmen ist für den langfristigen Erhalt von Bäumen die Basis.
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Ohne die Kenntnis des Standortes und dessen Eigenschaften ist es unmöglich, den geeigneten Baum zu finden. Im Vordergrund stehen die Faktoren Durchwurzelbarkeit, Wasserhaushalt, Wärmehaushalt, pH-Wert sowie die Grundgeologie, also die Nährstoffsättigung.
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In der Theorie redet man gerne von Flachwurzlern, Herzwurzlern oder Pfahlwurzlern. Diese Benennungen sind absolut theoretische Begriffe und ich rate explizit davon ab, nach den „Katalogkriterien“ eine Baumart zu wählen. Der schönste Baum kann keine Pfahlwurzel ausbilden, wenn die Geologie es nicht erlaubt. So werden oftmals gerade im städtischen Bereich aus Pfahl- oder Herzwurzlern eben Flachwurzler. Umgekehrt kann der Flachwurzler dazu gezwungen sein, seine Wurzeln, zum Beispiel durch zu hohe Verdichtung, nach unten auszubilden. Stark verdichtete Böden, angrenzende Bebauung oder unterirdische Infrastruktur machen es dem unmöglich, sein genetisch bestimmtes Wurzelbild zu entwickeln.
„Loch graben, Baum rein und gut“ ist eben nicht genug!
Eine fachgerechte Standortansprache und daraus resultierend die richtige Baumart zu wählen, erhält nicht nur den Baum langfristig, sondern spart bereits mittelfristig auch monetäre Werte.
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Ein etablierter Baum sendet Suchwurzeln aus. Diese haben die Aufgabe, Wasser sowie Nährstoffquellen zu finden. Ist dies gelungen setzt das Dickenwachstum ein und eine Statik wird gebildet. Je nach Standort kann es passieren, dass Wurzeln nur einseitig ausgebildet werden, wodurch ein statisches Problem entsteht, oder die Wurzeln entgegen der Genetik getrieben werden. Auch hier kann sich unter Umständen ein mittelfristiges Problem in der Standsicherheit des Baumes ergeben. Des Weiteren zeigen diese Bäume sehr früh ein Zurücksetzen in der Vitalität und/oder Gesundheit. Vermehrte Totholzbildung ist meist das erste Anzeichen eines Problems im Bodengefüge. Monetär schafft man hier einen erhöhten Bedarf an Kontrollen sowie vermehrt anfallende Maßnahmen im Pflegebereich. „Man pflanzt sich also künstlich einen Pflegefall“!
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Wie zuvor erzählt werden viele Fehler gemacht, indem nicht auf einen baumartgerechten Standort geachtet wird. Ergänzend dazu konnte ich häufig beobachten, dass die gewählte Baumscheibe keine ausreichende Größe besaß.
Zur Baumscheibe bleibt folgendes zu sagen: Optimal für den Baum ist eine Baumscheibe, die in Hinblick auf die zu erreichende „Endgröße“ des Baumes ausreichend gelockertes Substrat aufzeigt. Also bitte nicht den Fehler machen, bei einem Jungbaum das dreifache der Krone zu berechnen, sondern IMMER daran denken, wie groß wird oder soll der Baum am Standort werden. Diese theoretische Kronenbreite sollte mindestens als gelockertes Substrat zur Verfügung stehen. Eine optimale Wurzelbildung sowie die dadurch gewünschte statische Wirksamkeit, kann nur dann erreicht werden!
Kleinere Baumscheibe = weniger Wurzelaktivität = weniger Statik!
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Zur Pflege der Wurzeln: In meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit habe ich festgestellt, dass bei Ballenpflanzungen ein erhöhtes Risiko zur Bildung von Adventivwurzeln besteht. Diese können unter Umständen bereits mittelfristig zu einem Problem in der Statik des etablierten Baumes werden. Also bereits die Auswahl des Pflanzgutes soll überdacht sein.
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Wassersäcke, wie sie momentan gängige Praxis sind, sehe ich mit großer Skepsis. Durch die Abgabe von Wasser NUR in Stammnähe, wird meiner Erfahrung nach, ebenfalls das Wurzelwachstum zum Stamm hin gefördert, wodurch die Gefahr der Bildung von Adventivwurzeln steigt.
Eine Bewässerung in der Baumscheibe (optimal äußerste Astspitze in der Senkrechten plus 50 cm zum Stamm) ist aus Sachverständigen Sicht ein MUSS um dem etablierten Baum nicht nur notwendige Nähstoffe zu liefern, sondern durch den Anreiz von Wurzelbildung auch die Statik zu erhalten.
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Gerade in der heutigen Zeit, sollte es jedem Baumbesitzer absolut wichtig sein, Bäume langfristig zu erhalten und Neupflanzungen so anzulegen, dass auch hier der Baum langfristig mit vertretbarem Aufwand am Standort zu erhalten ist.
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